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  • Zahlen eingeben
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  • Mein Blick wandert zur Uhr, es sind erneut 10 Minuten vergangen. Wieso ich dort hinsehe weiß ich selber nicht, zumal nur ein Blick nach rechts mir zeigen würde wie viel näher ich jetzt dem Feierabend bin und das diese zehn Minuten nichts bedeuten. Es ist wohl nur deshalb, weil es zumindest eine kurze Ablenkung von der Routine ist. Doch bevor ich mich weiter damit beschäftigen kann, muss ich wieder meinen Bildschirm ins Auge fassen. Zahlen eingeben, immer wieder Zahlen eingeben. Ich mache den ganzen Tag nichts anderes, dämliche Zahlen in ein dämliches Programm eingeben. Ich hasse es, ich will es nicht mehr tun aber es muss sein. Es ist mein Job, mein verdammter Job und ich hasse ihn.
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  • Mein Blick wandert zur Uhr, es sind erneut 10 Minuten vergangen. Wieso ich dort hinsehe weiß ich selber nicht, zumal nur ein Blick nach rechts mir zeigen würde wie viel näher ich jetzt dem Feierabend bin und das diese zehn Minuten nichts bedeuten. Es ist wohl nur deshalb, weil es zumindest eine kurze Ablenkung von der Routine ist. Doch bevor ich mich weiter damit beschäftigen kann, muss ich wieder meinen Bildschirm ins Auge fassen. Zahlen eingeben, immer wieder Zahlen eingeben. Ich mache den ganzen Tag nichts anderes, dämliche Zahlen in ein dämliches Programm eingeben. Ich hasse es, ich will es nicht mehr tun aber es muss sein. Es ist mein Job, mein verdammter Job und ich hasse ihn. Wahrscheinlich wirst du jetzt mit den Schultern zucken und anmerken das viele Menschen ihren Job hassen. Im Zweifelsfall kann man ihn ja kündigen. Das macht natürlich kaum jemand, kaum jemand hat den Schneid dazu einfach alles hinter sich zu lassen. Man ist auf das Gehalt angewiesen weil man seine Miete zahlen, die Familie ernähren muss usw. Also beißt man die Zähne zusammen und tut den ganzen Tag nichts anderes als den Feierabend herbei zu sehnen. Ich hätte meinen Job jederzeit kündigen können, zumindest früher. Kein Kind, kein Kegel, niemand für den ich sorgen muss. Ich hätte einfach meine Sachen packen können, meinen Chef sagen das er mich am Allerwertesten lecken kann und dann gehen und nie wieder kommen. Warum ich es jetzt nicht mehr kann? Nun, das ist ganz einfach und trotzdem furchtbar kompliziert. Ich war... ich bin Statistiker. Natürlich war das nie mein Traumjob, welcher Junge träumt schon davon später einmal Statistiker zu werden. Astronaut oder Feuerwehrmann, Fußballspieler oder vielleicht noch Polizist. Aber garantiert nicht Statistiker. Doch letztlich werden wir alle erwachsen und ich habe schnell gemerkt das ich ein gutes Gespür für Zahlen habe und man mit Mathematik einen Haufen Geld verdienen kann. Also habe ich mich darauf spezialisiert und schnell einen Job gefunden. Freude hat mir dieser Job nie bereitet, schon am ersten Arbeitstag habe ich den Feierabend herbei gesehnt. Es war tödliche Routine, ich musste Zahlen in ein Programm eingeben. Nie veränderte sich was, nie passierte etwas aufregendes. Ich arbeitete und dachte den Feierabend, denn ich vor dem Fernseher verbringen würde. Ich gründete keine Familie, ließ mich nie auf ein Abenteuer ein oder machte etwas Verrücktes. Ich tat nie etwas für meine Mitmenschen, war ein Egoist und Eigenbrötler der nur daran dachte seinen Kontostand zu mehren. Wieso ich das alles tat? Ich weiß es selber nicht so ganz, ich redete mir ein das ich von dem gesparten Geld einen schönen Urlaub machen könnte aber tat es nie. Statt dessen sparte ich es und häufte es an. Hast du mal die Weihnachtsgeschichte von Dickens gelesen? Ich war dieser Scrooge, gönnte mir nie etwas und anderen auch nicht, für mich zählte nur das die Zahl auf meinem Konto immer dicker wurde. Pervers oder, wenn man bedenkt wie sehr ich Zahlen da schon hasste. Irgendwie redete ich mir ein, dass ich mal alles nachholen würde wenn ich in Rente wäre. Dann würde ich leben wie ein König oder ein Kaiser. Vermutlich war das aber nur Selbstbetrug. Jedenfalls biss ich mich durch, ging jeden Tag zu dieser verhassten Arbeit und hielt mich da Jahr um Jahr. Die Computer wurden neuer, Kollegen wechselten aber die Arbeit blieb die Gleiche. Und die ganze Zeit lang hing diese große Uhr da und daneben ein lustiges Plakat. Ein dicker Mann der die Arme hoch riss und als Unterschrift stand „Gib nicht auf, du musst nur bis 17 Uhr arbeiten“ Sollte wohl irgendwie witzig sein. Wie sehr ich dieses 17 Uhr immer herbei gesehnt habe. Nach über 40 Jahren Zahlen eingeben war es endlich soweit, die letzte Zahl war eingegeben, ich hatte das Rentenalter erreicht. Jetzt fragst du dich sicher wieso ich heute noch Zahlen eingebe? Gehöre ich zu der bedauernswerten Generation von Rentnern deren Rente nicht ausreicht und die noch weiter schuften müssen? Nein, natürlich nicht. Ich hatte eine großartige Ruhestandsfeier, begoss den Tag ordentlich und stieg schließlich in mein Auto um ein letztes Mal nach Hause zu fahren. Leider kam ich da nie an, Alkohol und überhöhte Geschwindigkeit sind eine gefährliche Mischung. Das was die Feuerwehr da aus dem Auto heraus schneiden musste, hatte nicht mehr viel Ähnlichkeit mit mir. Das wars dann, das ganze Geld brachte mir nichts ein, vielleicht ein anständiges Begräbnis, das weiß ich nicht. Zu dem Zeitpunkt war ich schon hier. Wie erwähnt war ich stets ein Egoist der nie etwas für andere getan hat und solche Leute fahren, dass weiß ich heute, direkt zur Hölle. Wenn du genauso bist, wird dir dieses Schicksal auch blühen da bin ich sicher. Jedoch, erwarte nicht das altbekannte Fegefeuer oder kleine Kerle mit Dreizacks. Ich weiß nicht wie deine Hölle aussehen wird, ich kann dir nur sagen wie meine aussieht. Ich sitze an meinem Schreibtisch und gebe Zahlen ein und wenn ich zum Poster mit dem dicken Mann sehe, der die Arme hochreißt weiß ich auch wie lange. „Gib nicht auf, du musst nur bis in alle Ewigkeit arbeiten.“ Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute dasselbe. Keine Abwechslung, keine Veränderung, ein verdammter Job im wahrsten Sinne des Wortes. Immer nur Zahlen eingeben bis in alle Ewigkeit. Kategorie:Mittellang Kategorie:Artikel ohne Bilder Kategorie:Tod