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  • Nun sitze ich hier im Badezimmer und warte, bis dieses seltsam betäubende Gefühl sich im gesamten Körper ausbreitet. Ich beobachte, wie Blutstropfen von meinem Kinn perlen und auf den Fliesen landen. Das Blut an der Zange neben mir ist ausgetrocknet, der Boden unter mir warm, die Uhr an der Wand tickt und zählt jede Sekunde meiner bisher abgewarteten Zeit mit. Ich habe keinen blassen Schimmer davon, wie viele Minuten, gar Stunden vergangen sind. Ein komisches Gefühl, das der Schwerelosigkeit ähnelt, überkommt mich. Es ist fast, als würde sich mein Geist von meiner sterblichen Hülle lösen.
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  • Nun sitze ich hier im Badezimmer und warte, bis dieses seltsam betäubende Gefühl sich im gesamten Körper ausbreitet. Ich beobachte, wie Blutstropfen von meinem Kinn perlen und auf den Fliesen landen. Das Blut an der Zange neben mir ist ausgetrocknet, der Boden unter mir warm, die Uhr an der Wand tickt und zählt jede Sekunde meiner bisher abgewarteten Zeit mit. Ich habe keinen blassen Schimmer davon, wie viele Minuten, gar Stunden vergangen sind. Ein komisches Gefühl, das der Schwerelosigkeit ähnelt, überkommt mich. Es ist fast, als würde sich mein Geist von meiner sterblichen Hülle lösen. Dass dieser Zustand nicht mehr lange andauern wird, ist mir bewusst, und ich weiß, dass anschließend mein Leib von einer anderen, verlorenen Seele gesteuert wird. Ich hoffe, dass alles so ablaufen wird wie geplant. Diese Krankheit, die unsere Familie zerstört hat, wäre dann endlich aus der Welt geschafft und am Ende würde nur mehr mein Geist von meinem Fleisch und Blut Besitz erlangen. Dabei bin ich mir nicht einmal sicher, ob der Plan überhaupt bis jetzt so abläuft wie ursprünglich angenommen, denn mein Bruder ist noch der Alte. Ihm geht es gut, er hat sich kein bisschen verändert. Das bereitet mir Sorgen, denn dadurch könnte es jemand anderes betreffen, und nicht Dominic, sondern dieser Fremde ist von einem Dämon besessen. Könnte es sein, dass ich wirklich ein falsches Foto beim Ritual hatte? Ich denke zurück und versetze mich unwillkürlich in den Traum zurück, wo ich vor dem Spiegel stand und es mich scheinbar dreimal gab. Was zum Teufel soll das alles bedeuten?! Würde ich am liebsten grölen, bin dann aber doch zu schwach dazu einen einzigen Ton rauszubekommen. Mit einer zittrigen Hand greife ich zu der Stelle, wo normalerweise mein Ohr sein müsste. Seitdem ich hier sitze, denke ich darüber nach, warum ich mir während meines „Schönheitsschlafs“ die Ohren amputiert habe. In diesem Moment kommt mir ein Satz in den Sinn: Augen sind das Fenster zur Seele. Jetzt kommt es mir klar und deutlich vor. Was, wenn die Seele hinter den Augen existiert. Irgendwo im Gehirn oder sonst wo dahinter. Man muss dabei auch bedenken, dass nicht nur die Augen, sondern auch die Ohren mit dem Hirn verbunden sind. Es ist zwar eigenartig das zu denken, aber möglicherweise verlässt in diesem Moment mein Geist seine Hülle, indem er meinen Gehörgang passiert. Wenn schon dieses Mysterium gelöst wurde, sollte auch die Bedeutung dieses Traums aufgeklärt werden. Zum Glück hatte ich bisher genug Zeit, um über ihn nachzudenken. Also sperrt eure Lauscher auf und hört euch meine Theorie an: Das Spiegelbild, das war mein gegenwärtiges Ich, wie ich das Grauen hinnahm. Dieses Ding mit den tausend Armen und dem roten Auge war der Dämon, den ich heraufbeschwört habe. Er schleppte mich in die Dunkelheit, sodass nur mehr der besessene Körper vor dem Spiegel anwesend war. Na, was meint ihr? „Dein Bruder...“, plötzlich höre ich ein tiefes Flüstern. Unfähig, mich zu bewegen, spähe ich in die Finsternis. Ein flaues Gefühl macht sich in meinem Bauch breit. „Was ist mit ihm?“, versuche ich mich mit der Stimme zu verständigen. „Du hast ihn geopfert.“ Es ist wieder still. Sie wartet auf eine Antwort. „Ja, habe ich. Was ist mit ihm?“ „Du musst loslassen, lass los, widersetz dich nicht...“ „Wie? Was soll ich loslassen?“ Müdigkeit überkommt mich. Wieder dieses Gefühl von Schwerelosigkeit. „Lass los, wir brauchen nur die Hülle. Dein Geist soll ihr entkommen.“ Ein schwarzer Rand umgibt mein Sichtfeld. Mein Kopf dröhnt, und ich höre wie die Stimme immer verzerrter und tiefer klingt. Ich werde nicht mehr lange bei Bewusstsein sein, meine Arme und Beine sind wie gelähmt. Gequält kauere ich mich am Boden zusammen. Nach Luft ringend entkommen statt Hilferufe nur ein Gestöhn meiner Kehle. Schon wieder dieser verfluchte Schleim. Ich spüre, wie ich die Kontrolle über mich verliere, wie der Druck in meinem Schädel nachlässt. Endlich ist es soweit. Denke ich, einen roten Blitz sehend.