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  • Abend am Kamin
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  • Ich erinnere mich noch lebhaft an einen Abend aus meiner Kindheit. Damals, ich muss zehn oder elf Jahre alt gewesen sein, waren meine Eltern geschäftlich unterwegs, und ich übernachtete deshalb ein paar Tage bei meinen Großeltern. Sie hatten ein großes, altes Bauernhaus mit allem, was für mich ein Bauernhaus ausmacht: Hühnerstall, einen riesigen Garten, Efeu wuchs bis hoch zum Dach des dreistöckigen Gebäudes. Das oberste Stockwerk war ein alter Dachboden, vollgestopft mit Gerümpel. Er war nur durch eine wacklige Leiter zu erreichen, weshalb meine Großeltern selten dort rauf gingen. Am schönsten fand ich aber das Erdgeschoss: Die gemütliche Küche wurde durch einen Tresen vom Wohnzimmer abgetrennt. So konnte ich mich mit Oma reden, während sie kochte - in meinen Augen war sie die beste Köchi
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  • Ich erinnere mich noch lebhaft an einen Abend aus meiner Kindheit. Damals, ich muss zehn oder elf Jahre alt gewesen sein, waren meine Eltern geschäftlich unterwegs, und ich übernachtete deshalb ein paar Tage bei meinen Großeltern. Sie hatten ein großes, altes Bauernhaus mit allem, was für mich ein Bauernhaus ausmacht: Hühnerstall, einen riesigen Garten, Efeu wuchs bis hoch zum Dach des dreistöckigen Gebäudes. Das oberste Stockwerk war ein alter Dachboden, vollgestopft mit Gerümpel. Er war nur durch eine wacklige Leiter zu erreichen, weshalb meine Großeltern selten dort rauf gingen. Am schönsten fand ich aber das Erdgeschoss: Die gemütliche Küche wurde durch einen Tresen vom Wohnzimmer abgetrennt. So konnte ich mich mit Oma reden, während sie kochte - in meinen Augen war sie die beste Köchin der Welt - und gleichzeitig Opa beim Feuermachen zuschauen. An diesem Abend, es war der letzte, bevor meine Eltern zurückkommen sollten, und demnach auch der letzte meines Aufenthalts, saß ich neben meinem Opa auf dem Sofa und stocherte mit einem Stock in den Flammen des Kamins. "Heinrich, lass das Kind nicht so nah ans Feuer!" schalt meine Oma Opa, doch der lachte nur. Ich schaute Oma trotzig an und sagte: "Ich bin kein Kleinkind mehr, Oma!" Daraufhin lachte sie nur und meinte : "Da können wir auch hier zu Abend essen." Sie brachte das Essen rüber. Als Opa und ich satt waren, brachte sie die Teller wieder in die Küche. "Soll ich dir eine Geschichte erzählen?" fragte mich mein Opa. Es hatte sich als eine Art Ritual durchgesetzt, dass er mir jeden Abend vor dem Schlafengehen eine Geschichte erzählte. Ich nickte begeistert. "Gut. Aber sei gewarnt! Es wird eine Geschichte voll Spannung, Überraschungen und diesem Haus. Und Gruuussseeelll!" Beim letzten Wort zog er eine Fratze und verstellte die Stimme. "Heinrich, erzähl dem Kind keinen Mist. Und verängstige es nicht!" schallte es aus der Küche. "Ist ja gut" gab dieser kleinlaut bei. "Also, bist du bereit?" Ich nickte erneut. "Diese Geschichte hat mir mein Opa einst erzählt, als ich so alt war wie du. Dieser hatte es seinerseits von seinem Opa und..." "Ich hab's verstanden, jetzt fang an!" "Ja,ja... Jedenfalls trug sie sich vor langer, langer Zeit zu und wurde von Generation zu Generation weitergeleitet. Damals kam dein Ururururururururururururururur..." "Opa, ich hab's kapihiert!" "ururopa in diese Region. Von dem damaligen König bekam er etwas Land. Sofort zog er ein. Doch was der König deinem Urur..." - "Opa!" - "Genau, du hast bloß einige Urs vergessen." Ich seufzte. "Willst du die Geschichte jetzt hören?" "Ja, aber ohne die ganzen Uhren und so" Opa lachte. "Wo war ich? Ach ja. Dein Uropa bekam hier Land geschenkt. Er war glücklich darüber und fing an, ein Haus zu bauen. Nach kurzer Zeit zogen er und seine Frau ein. Doch was der König ihm verschwiegen hatte: Das Land war verflucht!" Ich schaute Opa mit großen Augen an. "Heinrich. Was habe ich dir gesagt? Mach dem armen Kind doch keine Angst!" "So kann man doch keine Geschichte erzählen, wenn man dauernd unterbrochen wird! Das Land war also verflucht. Vor vielen Generationen, als nicht einmal die Römer diesen Landstrich kannten, geschah hier ein grauenvoller Mord an einem jungen Mädchen. Gedärme spritzten, Blut floss. Sie schrie und bettelte, doch ihr Mörder quälte sie weiterhin." "Heinrich, wenn du so weitermachst, bringe ich das Kind ins Bett und du kannst deine Geschichten der Luft erzählen!" - "Nicht mal im eigenen Haus, am eigenen Feuer darf man Geschichten erzählen!" murrte Opa. "Opa soll weitererzählen!" "Du hörst, was sie sagt!" "Mir reicht's, ich geh schlafen." "Nacht, Oma!" "Nacht, Margret!" "Opa, erzähl weiter!" "Weißt du, wer das Mädchen war?" "Eine gute Fee, die alles zu Guten wendet, nachdem sie gestorben ist?" Opa lachte. "Nein, schön wär's. Sie war eine Priesterin der Germanen. Die haben auch Zauberkräfte, aber sie sind keine Feen." "Echte Zauberkräfte?" "Ja, echte Zauberkräfte. Jedenfalls verfluchte sie im Moment ihres Todes ihren Mörder, doch auch der war ein mächtiger Mann, der ihre Seele verfluchte. Doch durch ihren Fluch beging er Selbstmord bei ihrer Leiche. Seitdem spukten die beiden im Umkreis und trugen einen ewigen Streit aus. Als nun dein Ur... dein Vorfahre auf dem verfluchten Land ein Haus baute, waren die beiden Geister wütend, da ihr Streitplatz nun nicht mehr ihnen gehörte. Sie versuchten, die Familie umzubringen." Ich wimmerte ängstlich. Opa tätschelte mir tröstend den Kopf. "Doch dein Vorfahre war klug und gerissen. Als also das Mädchen versuchte, durch ein Fenster ins Haus einzudringen, ließ er dieses mit Silberbezug zuschlagen und sie verbrannte sich die Finger. Als der Mann die Familie mit einem Messer attackieren wollte, vertauschte dein Vorfahre es mit einem aus Silber und der Geist zog sich wieder zurück. So ging das weiter. Die Intelligenz lag schon damals in der Familie." Opa lachte. "Seine Frau gebar fünf Kinder, alle waren gesund und halfen auf dem Hof mit, so gut sie konnten. Bis auf eins. Es war ein Mädchen, und es verhielt sich seltsam. Es interessierte sich für Okkultes und verschwand oft für Tage spurlos. Wenn es zurückkam, behauptete es, es sei bei einer alten Frau im Wald gewesen, deren Hütte nur zu bestimmten Zeiten, wenn die Gestirne es zeigten, existierte, und die zaubern konnte. Niemand glaubte es ihr, doch alle machten sich Sorgen. Was, wenn das Mädchen verrückt war? Doch für einen Arztbesuch fehlte die Zeit- der nächste Psychiater lebte eine Tagesreise entfernt. So wuchs das seltsame Mädchen auf dem Hof auf. Nach einer Weile erzählte sie, die Geister des Hofes wären ihre Freunde und würden nur ihr Land zurückhaben wollen. Aber sie hätten versprochen, der Familie nichts mehr zu tun, wenn diese sie nicht mehr quälen würden. So lebte unsere Familie weiter auf dem Landgut, bis das Mädchen starb. Ihre Enkel erbten das Haus und sie glaubten nicht an die Erzählungen der alten, offensichtlich verrückten Frau, dass sie die Geister besänftigen müssten. Sie riefen den Dorfpfarrer, der im ganzen Haus Kruzifixe verteilte und eine Zeremonie gegen die Geister vollführte. Diese wiederum waren fassungslos und zündeten das Haus an." Ich schaute mich ängstlich um und vergrub mich in den Sofakissen. "Na, na, keine Angst, Opa ist ja bei dir. Es überlebten alle, doch in den Flammen glaubten die Besitzer, das Gesicht der verstorbenen Großmutter zu sehen, und waren sich einig, sie hätten ein "Ich habe es euch ja gesagt" aus dem Knistern der Flammen gehört. Bald schon baute die Familie ein neues Haus unweit des alten und zog ein. Von da an hatten sie drei Geister am Hals: Ständig hörte irgendjemand die Stimme der verstorbenen Großmutter, die ständig wiederholte, dass sie die Familie ja gewarnt hatte. Die meisten, die dieses Haus bewohnten, wurden verrückt. Dazu kam, dass sich im Jahre 1332 einer der Bewohner erhängte, um genau zu sein dein Ururururururururururururururopa. Hey, komm mal wieder aus den Kissen raus. Er fand auch keine Ruhe. Seit dem Tag spukten in dem Haus vier Geister." Nur widerwillig ließ ich zu, dass Opa mich aus dem Kissenberg, den ich mir während seiner Erzählung gebaut hatte, buddelte. Währenddessen erzählte er weiter: "Doch damit nicht genug. Alle hundert Jahre brannte das Haus ab, alle hundert Jahre kam ein Geist dazu." "Sind die immer noch hier? Opa, ich hab Angst!" "Keine Angst. Denn im Jahre 1642 wurde ein Mädchen geboren, die, ähnlich wie das erste Mädchen, welches ich erwähnte, einen Hang zum Okkulten hatte. Sie besuchte auch die geheimnisvolle Frau im Wald und blieb für Tage weg. Doch sie freundete sich nicht mit den Geistern an, zu dem Zeitpunkt waren es zehn Stück, die sich gegenseitig stritten. Im Gegenteil: mit zehn Jahren legte sie eine Art Bannzauber über das Haus, der die Geister fernhielt. Da sie jedoch erst so jung war, konnte sie ihn nur für einen begrenzten Zeitraum legen. Bevor sie alt genug wurde, um den Bannzauber zu vervollständigen, wurde sie im Zuge der Hexenjagd verbrannt. Doch sie schrieb eine Nachricht nieder: alle fünfhundert Jahre würde ein solches Mädchen geboren werde, das die Familie retten soll. Seit ihrem Tod brannte das Haus nie wieder, und auch Geister sind hier keine. Und in zweihundert Jahren ist das Haus nicht mehr unser Problem." Opa lachte wieder, und auch ich schmunzelte erleichtert. Ich gähnte. "Dann werden wir dich mal ins Bett bringen." Opa stand stöhnend auf. Mein Zimmer lag im zweiten Stock, Meine Großeltern schliefen allerdings im ersten Stock. Als Opa die Tür schließen wollte, rief er mir noch zu: "Pass auf vor den Geistern!" "Ach Opa, die sind doch weg!" "Inzwischen lässt du dir kaum noch Angst einjagen!" brummte Opa und schloss die Tür. Mitten in der Nacht wachte ich auf. Ich lauschte und war mir sicher, Schritte über mir zu hören. Es waren zwei paar Füße, so weit ich es hörte. Was machten Oma und Opa denn auf dem Dachboden? Leise huschte ich zum Aufstieg. Die Luke war offen, sie war eigentlich eh nie zu. Ich strengte meine Ohren an, konnte aber nur undeutliches Flüstern verstehen. ich überlegte, ob ich hochklettern sollte, um sie besser zu verstehen, und schwups! war ich die Leiter hochgeklettert und hatte mich unter dem Staubtuch eines alten Tisches versteckt. Seltsamerweise hatten Oma und Opa kein Licht angemacht. Wieder versuchte ich, sie zu belauschen. Leider verstand ich nur einige Wortfetzen, aus denen ich mir keinen Reim machen konnte. Nach einer Weile ging ich zurück in mein Zimmer und legte mich schlafen. Als ich wieder aufwachte, hatte Opa mich auf dem Arm und es war unerträglich warm. Dann war da blaues Licht, viele Geräusche, alle dumpf. Dann das Krankenhaus. Das Haus hatte mitten in der Nacht angefangen, zu brennen, die Ursache war unklar. Opa starb im Nachhinein an einer Rauchvergiftung, die er sich wohl zugezogen hatte, als er noch mal ins brennende Gebäude lief, um mich zu holen. Oma war tot. Als Kind konnte ich alles nicht so gut einordnen, aber jetzt verstehe ich es. Ich kann den Gesprächsfetzen eine Bedeutung zuordnen: "...Die Bannerin... Nicht erstanden... Endlose Qualen... Wir sind frei... Rache... Brennen... Geschichte... Ihr wart schon immer mein Feind... Ihr belegtet mich mit einem Fluch... Für ewig soll unser Feld existieren... Du freundetest dich mit uns an... Es soll brennen..." Und ich weiß, dass eine Drei bei unordentlicher Schrift leicht mit einer Fünf verwechselt werden kann...