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  • Beruhigender Speichel
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  • Sie wurde von dem Tropfen geweckt. Mühselig richtete sie sich in ihrem Bett auf, ächzte einen unverständlichen Laut. „Mammaaa?!“, rief sie, wobei ihre As eher wie unförmige, lange Os klangen. Elisabeth war schwer autistisch. Sie brauchte lange um zu bemerken, dass sie alleine zu Hause war. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, doch ihre Eltern hatten sie alleine zu Hause gelassen, um ins Konzert zu gehen. Das taten sie selten. Elisabeth alleine lassen. Doch heute war ihr Hochzeitstag und sie wollten einfach mal diese Stunden für sich. Das alles verstand Elisabeth nicht, sie fühlte sich nur allein. Sie hatte Angst. Sie wollte, dass es hell wird. Sie erinnerte sich, dass es dafür einen Schalter gab. Sie suchte ihn, drückte ihn. Es wurde nicht hell. Dunkelheit umhüllte sie, erwürgte sie.
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  • Sie wurde von dem Tropfen geweckt. Mühselig richtete sie sich in ihrem Bett auf, ächzte einen unverständlichen Laut. „Mammaaa?!“, rief sie, wobei ihre As eher wie unförmige, lange Os klangen. Elisabeth war schwer autistisch. Sie brauchte lange um zu bemerken, dass sie alleine zu Hause war. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, doch ihre Eltern hatten sie alleine zu Hause gelassen, um ins Konzert zu gehen. Das taten sie selten. Elisabeth alleine lassen. Doch heute war ihr Hochzeitstag und sie wollten einfach mal diese Stunden für sich. Das alles verstand Elisabeth nicht, sie fühlte sich nur allein. Sie hatte Angst. Sie wollte, dass es hell wird. Sie erinnerte sich, dass es dafür einen Schalter gab. Sie suchte ihn, drückte ihn. Es wurde nicht hell. Dunkelheit umhüllte sie, erwürgte sie. „Mama! Papa!“, rief sie wieder. Das Haus lag relativ verloren auf dem Land, Nachbarn, die sie hätten hören können, gab es nicht. Elisabeth wusste es nicht, doch ihre Eltern hatten ihre Abgeschiedenheit geschätzt, vor allem wegen ihrer behinderten Tochter, weil sie sich für sie schämten. Das wollten sie sich nicht eingestehen. Aber es war so. „Mama!“ Elisabeth wurde panisch. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, ihre Gliedmaßen zitterten. Sie buddelte sich in ihre Decke ein, zog sie weit über den Kopf und atmete heftig. Dann hörte sie ein schlürfen vor der Tür, ein winseln, ein jaulen. Die Dielen knarzten. Anders als sonst, doch vertraut. Elisabeth war nicht völlig allein. Ihre Familie hatte einen trainierten Therapiehund, allein für Elisabeth. Eine wunderschöne, deutsche Schäferhündin, goldbraunes Fell mit schwarzen Flecken. Sie hieß Lünette. Sie war darauf trainiert, Elisabeth zu beschützen, falls es ihr schlecht ging, die anderen zu alarmieren, sogar, sie zu trösten und sich kuscheln zu lassen. Lünette war Elisabeths beste Freundin. Sie war groß und stark und verstand sie besser als die Menschen. Elisabeth verstand Liebe. Sie verstand aber nicht, warum sie sie bei Lünette spürte, aber bei ihren Eltern nicht. Wenn Elisabeth Angst hatte – sie hatte häufiger Panikattacken – hatte sie ein beruhigendes Ritual mit Lünette. Elisabeth würde sich ins warme Bett legen, die Augen schließen, tief durchatmen und die Hand über den Rand des Bettes halten. Lünette würde sich dann an ihre Seite setzen, die Hand beschnuppern und dann abschlecken. Das Lecken kitzelte Elisabeth und hatte sie schon oft zum Lachen gebracht. Aber oft reichte schon die Präsenz des großen, starken, wachsamen Hundes um sie zu beruhigen. Ihr Vater hatte mal zu dem Verhalten von Lünette gesagt, das ihr Hund intelligenter sei als ihre Tochter und dabei gelacht. Elisabeth hatte das nicht verstanden, es war wohl ein Scherz gewesen, aber wenn Lünette bei ihr war, fühlte sie sich sicher. So auch jetzt. Sie spürte, wie der Hund über den Boden zu ihr gekrochen kam. Das Geräusch war anders als sonst, doch sie störte sich nicht weiter daran. Schnell hielt sie die Hand raus, unter der Decke hindurch. Lünette wusste Bescheid. Sie beschnupperte ihre Hand zärtlich, zog die Luft ein sodass ihre feinen Härchen an der Hand den Hauch spüren konnten, den warmen, ruhigen Atem. Dann begann Lünette ihre Hand abzulecken. Der Speichel war warm und feucht und das vertraute Gefühl entspannte Elisabeth. Alsbald döste sie wieder ein. Ihre Träume waren wirr. Wieder wurde sie geweckt. Diese eindringliche Tropfen, das durch seine Kontinuität und Beharrlichkeit scheinbar an Lautstärke gewann. Was war das? Elisabeth kroch aus ihrem Bett hervor. Lünette rollte sich normalerweise an ihrem Bettende zusammen und wachte über sie, doch jetzt war sie verschwunden. Elisabeth wollte wieder das Licht anmachen, doch als sie den Schalter betätigte, passierte nichts. Erneut. Hatte sie das nicht schon mal probiert? Sie bekam wieder Angst, doch diesmal blieb sie still. Sie überlegte was Tropfen könnte. Sie hatte eine kleine Taschenlampe am Nachttisch, die nahm sie. Als sie den Schalter drückte, ging das Licht an. Sie wunderte sich, warum dieses Licht ging, aber das große Licht im Haus nicht. Der Leuchtkegel der Taschenlampe warf bizarre Schatten und Schemen auf Möbel und Wände. Die Umrisse wurden zu unförmigen Gestalten, die der Fantasie viel Spielraum für Interpretation boten. Ihr weißes Nachthemd wehte um sie herum. Ein kalter Luftzug hatte sie erfasst, als sie aus dem Bett gestiegen war. Sie drehte sich um und stellte fest, das ihr Fenster sperrangelweit auf stand. War es nicht fest zu gewesen? Ihr Vater zog es immer zu, damit Elisabeth nicht einfach verschwinden konnte. Sie stellte fest, dass es bitterkalt im Zimmer war. Die langen, ausladenden Vorhänge wehten schwach in den Raum, als eine erneute Brise sie erfasste. Das Licht aus der Taschenlampe verlor sich draußen in einer klaren, kalten, mondbeschienenen Nacht. Elisabeth fröstelte. Ach ja, da war es wieder. Oder immer noch, nur hatte das Tropfen wieder Elisabeths Aufmerksamkeit. Ohne sich weiter um das Fenster zu sorgen ging sie in den Flur und von dort aus ins Bad. Als sie Waschbecken und Badewanne ableuchtete, wurde das Tropfen leiser und im Bad war auch nichts zu finden. Sie ging die Treppe runter. Das Licht aus ihrer Hand verbarg mehr als das es enthüllte. Sie hatte wieder furchtbare Angst. Wo war Lünette? Das Tropfen wurde lauter. In der Küche strahlten die Klingen, die in der Spüle lagen und das zaghafte Licht reflektierten, eine noch erschreckendere Gefahr aus als sonst. Elisabeth fühlte sich immer beim Anblick dieser Messer an Lünettes Fangzähne erinnert und war froh, dass ihre Beschützerin so gut bewaffnet war. Wo war sie überhaupt? In der Spüle lagen zwei große Küchenmesser und weiteres normales Besteck. Ein Steakmesser und ein Filetiermesser. Sie machten ihr Angst. Ihre Eltern hatten ihr immer strengsten verboten, die Messer anzufassen und ihr auf die Finger gehauen, wenn sie es doch mal getan hatte. Dann hatte sie gesehen, wie sich ihre Mutter beim Kochen schwer verletzt hatte und seit dem mied sie die Klingen so gut sie nur konnte. Sie wollte die Klingen nicht mehr ansehen. Vorsichtig griff sie in die Spüle und nahm sie raus. Neben dem Waschbecken stand der Messerblock, wo jedes Messer seinen Platz hatte. Langsam schob sie die Messer herein. Das Schaben, als die Klinge am Holz entlang fuhr, ließ sie erschauern. Doch jetzt erschienen sie ihr weniger gefährlich. Dann fiel ihr auf, dass das größte Messer fehlte. Das große, breite, das Vater zum Abtrennen der Knochen benutze. Sein Platz war leer. Elisabeth musterte den Hahn der Spüle, den Abfluss. Alles ruhig. Sie ging weiter, zum Keller. Das Tropfen wurde lauter. Sie ging mit bedächtigen Schritten die Kellertreppen hinunter, die Taschenlampe wie eine Waffe nach vorne gerichtet. Tropf Tropf Tropf Elisabeth schrie. Schrie ihren letzten Rest verstand aus dem Leib. Sie schrie und schrie und rannte die Treppe hinauf, wusste nicht wohin, wusste nicht warum. Panik, Angst, Verzweiflung. Am Fuße der Treppe hatte sie mit dem schwachen Licht den kargen Raum erleuchtet. Und die Szenerie, die sich ihr darbot, war so abscheulich, dass ihr kleines, krankes Hirn unfähig war, es zu verarbeiten. An einem rostigen Fleischerhaken, den man durch die dünne Schicht Haut und Fleisch unter dem unteren Kieferknochen gerammt hatte, sodass der Haken durch den Mund wieder herausstak, hingen ihre Mutter, ihr Vater und Lünette. Sie hingen einen Fuß hoch über den Boden, leichtes Schwingen ließ die Ketten am Haken klirren. Ein See von Blut ergoss sich zu ihren Füßen. Das Hackmesser, das im Messerblock fehlte, stak in der Brust ihrer Hündin. Allesamt waren von Darm bis Kehle aufgeschlitzt, sodass ihre Innereien an ihnen herunter baumelten. Sie mussten schon lange da hängen, denn sie waren beinahe blutleer, nur ein feines, konstantes Tropf, Tropf, Tropf plätscherte noch auf die Blutlache. Tropf Tropf Tropf Doch das schlimmste war die Nachricht, die mit Blut an die Wand geschmiert war und vielleicht war es ein Segen, dass Elisabeth sie nicht verstand. Das Mauerwerk bröckelte, und die schmierigen, roten Buchstaben auf dem körnigen, rauen Untergrund schimmerten bedrohlich im flackernden Licht der bestürzt fallengelassenen Taschenlampe. --Séance (Diskussion) 19:14, 6. Jan. 2015 (UTC) Kategorie:Artikel ohne Bilder Kategorie:Mittellang Kategorie:Mord Kategorie:Tod Kategorie:Geisteskrankheit Kategorie:Schockierendes Ende