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  • Der Autor und seine Geschichte
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  • Müde rieb ich mir meine Hände übers Gesicht. Meine Augen brannten, beim permanenten Starren auf den Monitor, dessen spärliches Licht die einzige Lichtquelle war. Vor mir sah man nichts, als ein einfaches, leeres, weißes Blatt, dass den gesamten Bildschirm einnahm. Oben rechts in der Ecke flackerte der Cursor, als würde er drauf warten, dass ich mit seiner Hilfe einen Satz beginnen würde. Doch waren meine Gedanken genauso wie das Blatt: vollkommen leer. Tragischerweise hatte meine Inspiration und – was für mich noch viel schlimmer war – der Spaß am Schreiben mit der Zeit immer mehr abgenommen. Dabei hatte ich nur ein Ziel vor Augen: Ich wollte Ruhm. Ich war schon nahezu besessenen davon. Ärgerte mich schwarz, wenn ich sah, wie andere berühmte Autoren aus anfänglichen Ideen wahre Meisterwerk
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  • Müde rieb ich mir meine Hände übers Gesicht. Meine Augen brannten, beim permanenten Starren auf den Monitor, dessen spärliches Licht die einzige Lichtquelle war. Vor mir sah man nichts, als ein einfaches, leeres, weißes Blatt, dass den gesamten Bildschirm einnahm. Oben rechts in der Ecke flackerte der Cursor, als würde er drauf warten, dass ich mit seiner Hilfe einen Satz beginnen würde. Doch waren meine Gedanken genauso wie das Blatt: vollkommen leer. Tragischerweise hatte meine Inspiration und – was für mich noch viel schlimmer war – der Spaß am Schreiben mit der Zeit immer mehr abgenommen. Dabei hatte ich nur ein Ziel vor Augen: Ich wollte Ruhm. Ich war schon nahezu besessenen davon. Ärgerte mich schwarz, wenn ich sah, wie andere berühmte Autoren aus anfänglichen Ideen wahre Meisterwerke erschufen und sich nahezu an ihrem Ruhm ergötzten, als wäre es das Größte, was sie je herbei sehnten. Abartig! Doch konnte ich von mir selbst nicht mal im Ansatz behaupten, dass ich diesen Ruhm auch nur annähernd erreicht hätte, so wäre es doch unfair wenn ich mich gerade über jene, die ihn erreichten, aufregte, oder nicht? Seufzend wagte ich einen Blick zur Uhr unterhalb meines Monitors. Es war kurz vor Mitternacht. Mein Gehirn machte mir klar, dass ich schlafen gehen sollte, doch mein Wille trieb mich weiter, unermüdlich an meinem nicht mal begonnenen Werk zu schreiben. Verzweifelt blickte ich zu meiner schlafenden Frau herüber, die meine Sorgen nicht zu teilen brauchte. Sie arbeitete mit mir zusammen in einer Bank. Nur widerwillig hatte ich diesen Beruf damals angenommen, da meine Eltern von meinem Traum, einst ein berühmter Schriftsteller zu werden, nichts hielten. Sie waren einzig und allein der Meinung, dass ich mir einen geeigneten Job suchen sollte, als diesen einen, von dem ich Geld womöglich nicht mal in zehn Jahren sehen würde – wenn überhaupt. Doch eine gute Sache hatte das Ganze ja: Kaum hatte ich dort angefangen, schon hatte ich sie kennengelernt. Meine jetzige Frau Cathrine. Bis heute ist sie darum bemüht, meinen Traum zu unterstützen, doch so sehr ich auch ihre Mühe schätze, muss ich immer wieder mit großer Enttäuschung feststellen, dass ihre Hilfe nur wenig bringt. Kurz lächelte ich sie an, ehe ich meinen PC ausschaltete und mich zu ihr ins Bett begab. „Ich bin dir dankbar für alles, mein Schatz,“ flüsterte ich ihr leise ins Ohr und gab mich meiner Müdigkeit vollends hin… In meinem Traum saß ich vor dem PC. Die Finger flogen nahezu über meine Tastatur, während sich in meinem Kopf die Szenerie, wie in einem Film abspielte. Ich sah die Handlung klar vor mir. Ich sah mit eigenen Augen zu, wie der Protagonist sich an seinem nächsten Opfer vergriff und ihm, mit Messerstichen und einem zärtlich-süßen Lächeln, Stück für Stück das Fleisch rausschnitt. Es war ein junges Mädchen gewesen, dessen Ebenbild der einer Elfe glich. Das Blut, das dabei in unzähligen Mengen herausfloss, übermannte die Hand meines Protagonisten mit so einer intensiven Wärme, dass ich sie nahezu spüren konnte. Diese Gier, diese Lust… Sie war einfach unbeschreiblich! Meine Mundwinkel schmückte ein Grinsen, als ich in meinem Traum mit ansah, wie das jämmerliche Opfer sich röchelnd und zappelnd, wie ein Fisch an Land, dem Tod entgegen sah. Der Lebenssaft, welcher sich in unzähligen Mengen auf den Boden verteilt hatte klang wie Musik in meinen Ohren, als meine Figur sich Schritt für Schritt dem nahezu leblosen Körper nährte, um ihm auch den restlichen Funken seines verkümmerten Lebens zu nehmen. Am nächsten Morgen weckte mich der schrille Ton meines Handyweckers, so wollte ich mich als Erstes an den PC setzen und meinen Traum niederschreiben, ehe er im Laufe des Tages in Vergessenheit geraten würde. Mit jedem Moment, in den mein PC länger brauchte um hochzufahren, klopfte mein Herz schneller. Dieser merkwürdige Traum, wenn man ihn so nennen konnte, war außerordentlich real gewesen, wenn nicht schon zu real. Doch stempelte ich diesen Gedanken sehr schnell als ein Phänomen ab, dass bereits Vielen widerfahren sein musste. Kaum war der PC endlich hochgefahren, so musste ich mit Verwunderung und zugleich mit einem gewissen Hauch von Freude feststellen, dass diese einzigartige Geschichte bereits niedergeschrieben worden war. Doch beschäftigte ich mich nicht länger mit Fragen wie, warum, wieso. Zu sehr war ich darauf erpicht, das Manuskript zu lesen. Mit eigenen Augen wollte ich mich davon überzeugen, dass dort auch wirklich alles so stand, wie ich es erträumt hatte. Und tatsächlich. Wort für Wort entsprach meiner Vorstellung. Überglücklich von meiner Fantasie und dem, was ich als Endprodukt verfasst vorfand, wollte ich meine liebe Frau wecken. „Schatz, das musst du dir ansehen!“, rief ich in die Luft und rüttelte sie an den Schultern. Nach einer Weile des erfolglosen Weckens hielt ich inne. Erst jetzt fiel mir auf, dass ihren Körper eine unnatürliche Kälte durchzog und ihre Haut im hellen Sonnenlicht sehr blass wirkte. „Schatz…?“, fragte ich unsicher, meine Stimme entbehrte nun jeglicher Freude. Als meine Cathrine nicht antwortete, zog ich die schwere, schwarze Decke weg. Der Anblick der sich mir bot, war zu grausam, als dass ich ihn in Worte hätte fassen können. Meine einst so schöne Catherine war ihrem Ebenbild vollkommen entstellt. Etliche blutige Wunden zierten ihren sonst so schönen, Körper. Aus ihrer offenen Bauchhöhle pulsierten die Organe in einem rhythmischen Takt, als würden sie noch immer arbeiten. Ihr T-Shirt hing in Fetzen an ihrem Körper, vollkommen Blut durchtränkt. Ihre einst kristallblauen Augen, so wie ihre goldgelben Haare, hatten jedweden Glanz und Farbe verloren. Ich wollte schreien, doch brachte ich keinen einzigen Laut hervor. Kein Wimmern, kein Schluchzen, nichts. Zu betäubt war ich, um zu weinen. Zu betäubt war ich, um zu schreien. Schwach sank ich auf die Knie, gleichzeitig vernahmen meine Ohren ein platschendes, klares Geräusch, so als wäre ich in eine Pfütze getreten und tatsächlich: Meine Knie waren von purpurrotem Blut befleckt. Doch entwich meiner Kehle nun endlich ein Schrei. Getrieben von Schmerz und Trauer durchbrach ich die Trance, die mich eben noch gefangen hielt und äußerte meine Gefühle in Form dieses schmerzerfüllten Aufschreiens. So langsam wurde mir klar, warum ich schrie und warum mein Körper durch jene Betäubung nicht in der Lage gewesen war zu reagieren: Dieser Traum… Er hatte sich in jeglicher Form bewahrheitet. So plötzlich, wie der Schrei gekommen war, verstummte er auch wieder. Das Blut das ich während des Schreibens zu spüren vermochte, klebte nicht nur an den Händen meines Protagonisten, nein, es klebte an mir. Ich hatte meine eigene Frau im Traum umgebracht… Während mein Gehirn diese grauenvolle Erkenntnis zu verarbeiten suchte, nahm ich die Leiche meiner Frau in die Arme und wog sie darin, wie ein kleines Kind. Bittere Tränen liefen meine Wangen entlang, während ich in ihr blasses, lebloses Gesicht schaute. „Es tut mir leid…“, flüsterte ich mit einem dicken Kloß im Hals. Mein Körper zitterte unermüdlich. Aber es war nicht die bittere Kälte, die von ihr ausging. Es war, weil ich psychisch vollkommen am Ende war. Der Gedanke an das, was passiert war und das, was auf diesem drecks PC niedergeschrieben stand, zerriss mich innerlich in Stücke. Meine Umgebung nahm ich nicht mehr wahr. Ich bekam nicht mal mit, wie zwei Männer mich aus dem Zimmer trugen, mich fort zerrten, weg von meiner Frau! Als ich mit ansah, wie sie schlaff auf dem Boden lag, die Arme in seltsame Richtungen ausgestreckt, so als würde man eine lebensgroße Puppe einfach auf dem Boden liegen lassen, schrie und schlug ich um mich. Doch egal, wie sehr ich mich auch wehrte und vollkommen gleichgültig, wie laut ich ihren Namen schrie – die beiden Männer nahmen keine Notiz davon, oder von meinen verzweifelten Versuchen freizukommen. Das Letzte, woran ich mich erinnern konnte, bevor sie mir ein starkes Beruhigungsmittel verabreichten, war, wie sie mich in ein Auto zerrten, mir Handschellen verpassten und mich weg brachten. Sie fuhren weit und fort aus der Stadt, in der ich und meine geliebte Catherine unsere Zukunft geplant hatten, in der wir für immer leben wollten…