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  • Die Fratze
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  • Es war kurz nach halb 2 als ich aus meinem Schlaf erwachte. Ich konnte nicht sagen, was mich aufgeweckt hatte, jedoch beschäftigte es mich nicht wirklich. Stattdessen gab ich mich mit der Erklärung zufrieden, dass ich einfach schlecht geträumt haben musste und schloss die Augen wieder - doch es war mir aus einem mir unerfindlichen Grunde nicht mehr möglich gewesen zu schlafen. Ich wälzte mich in meinem Bett umher und versuchte eine passendere Position zu finden, um endlich wieder schlafen zu können, doch es wollte mir nicht gelingen. Katja?, fragte ich sie.
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  • Es war kurz nach halb 2 als ich aus meinem Schlaf erwachte. Ich konnte nicht sagen, was mich aufgeweckt hatte, jedoch beschäftigte es mich nicht wirklich. Stattdessen gab ich mich mit der Erklärung zufrieden, dass ich einfach schlecht geträumt haben musste und schloss die Augen wieder - doch es war mir aus einem mir unerfindlichen Grunde nicht mehr möglich gewesen zu schlafen. Ich wälzte mich in meinem Bett umher und versuchte eine passendere Position zu finden, um endlich wieder schlafen zu können, doch es wollte mir nicht gelingen. Es war die erste Nacht in welcher ich bei meinem Kumpel Alex übernachtete. Wir kannten uns schon länger, doch ich habe mich immer unwohl bei dem Gedanken gefühlt in einem fremden Zimmer zu schlafen. Es war sicherlich nicht so als hätte ich Alex irgendwelche Streiche zugetraut, die er mir des Nachts hätte spielen können, doch ich hatte immer ein ungutes Gefühl, wenn ich darüber nachdachte, die Nacht woanders zu verbringen. Es war generell das erste Mal, dass ich mich zu einer Übernachtung hatte hinreißen lassen und das schlimmste war, dass ich nicht der einzige war, der heute bei Alex übernachtete. Während die anderen jedoch bei Alex im Zimmer schliefen, wurde ich quasi ins Gästezimmer verbannt. "Kein Platz" waren glaube ich die Worte, mit denen Alex mir zu erklären versuchte, dass ich nicht bei ihm im Zimmer schlafen konnte, so wie es all die anderen taten. Jetzt lag ich da und starrte auf die Uhr, welche sich auf den Nachttisch befand und mit den leuchtenden Ziffern, welche mir die Zeit nannten, ein wenig den Raum erhellte. Gelangweilt sah ich dabei zu, wie sich die Ziffern Minute für Minute zu ändern begannen. Es war ein bisschen wie Schäfchen zählen, nur viel viel langsamer. Es half schließlich nichts und als ich mich schließlich im Bett aufrichtete, bemerkte ich etwas gegenüber von meinem Bett. Es hing an der Wand und sah beinahe aus wie ein altes Gemälde. Im sanften Licht konnte ich kaum etwas erkennen, doch nachdem ich längere Zeit auf das Bild starrte, begannen deutlich die Konturen eines Gesichtes sichtbar zu werden. Zunächst erkannte ich nur die Umrisse, doch nach einer Weile erkannte ich erste Gesichtszüge und schließlich sah ich sie... diese starren, weit geöffneten Augen. Der Blick ging mir durch Mark und Bein und ich meinte sogar gespürt zu haben, wie mir langsam ein kalter Schauer über den Rücken lief. Dieses Gesicht - ich konnte es nichtmal mehr als Gesicht betiteln. Es war eine grässliche und angsteinflößende Fratze, die mich da von der anderen Seite des Zimmers aus anstarrte. Plötzlich schien es so, als wenn sich in meinem Körper neue Venen bilden würden, welche lediglich dem Transport von Angst dienten, denn in Sekundenschnelle breitete sich ein pures Gefühl der Angst und des Unbehagens in mir aus. Dieses Bild wirkte auf mich so - lebendig. Es schien nicht nur den Betrachter des Gemäldes anzustarren. Es war als wäre es extra dafür gemalt worden nur mich anzustarren. Der Gesichtsausdruck war kalt, vollkommen emotionslos... es waren diese Augen, welche die Fratze so schauderhaft wirken ließ. Für ungefähr eine halbe Stunde sah ich das Gemälde an. Ich weiß gar nicht, warum ich es überhaupt so lange betrachtet hatte. Vermutlich war es die Angst, welche mir das Blut in den Adern gefrieren ließ und dafür sorgte, dass ich mich nicht von der Stelle bewegen konnte. Dann geschah jedoch etwas, was in mir das pure Entsetzen auslöste. Gerade als ich glaubte, mich an den Anblick des Gemäldes gewöhnt zu haben und mich wieder hinlegen zu können, begann die Fratze plötzlich ein breites und vollkommen wahnsinniges Lächeln auf ihrem zuvor so emotionslos wirkendem Gesicht auszubreiten. Ich schreckte auf, spürte wie das Adrenalin durch meinen Körper gepumpt wurde und meinen gelähmten Muskeln wieder neues Leben einhauchte. Mit einem kräftigen Ruck stieß ich mich vom Bett ab, sprang auf und rannte zur Tür. Ich riss sie panisch auf und kam schließlich auf den kalten Fliesen des Flures zum Stehen. Ich hätte in diesem Moment alles tun können; zu Alex und den anderen laufen und ihnen erzählen was soeben geschehen war, im Flur verharren und bis zum Morgen warten, aus den Haus stürmen und so schnell wie möglich nach Hause laufen - all das hätte ich tun können, doch ich tat etwas, was ich bis heute zutiefst bereue. Ich drehte mich um und warf einen letzten Blick auf das Gemälde. Das Adrenalin schien durch sämtliche Poren aus meinem Körper hinausgesogen zu werden, denn was ich sah, schockierte mich beinahe mehr als das grausame Lächeln. Die verrückten Augen der wahnsinnigen Fratze - sie waren mir gefolgt! Sie hatten mich noch immer fest im Visier, so als wäre sie starr auf jede einzelne meiner Bewegungen fixiert. Auch schien es beinahe so, als wenn die Fratze den Kopf in meine Richtung geneigt hätte. Ich hielt die Luft an, wagte es nicht zu atmen. Meine Gliedmaßen zitterten so stark, das ich beinahe glaubte, einen epileptischen Anfall zu bekommen. Mit der letzten Kraft, die in meinem rechten Arm schlummerte, knallte ich die Tür zu und rannte den Flur entlang, bis ich mich schließlich nach einigen Metern auf dem Boden niederließ und die Augen schloss. Als ich am nächsten Morgen erwachte, waren die anderen bereits nach draußen gegangen. Offenbar hatten sie sich nicht einmal die Mühe gemacht zu mir zu gehen und mich zu wecken. Gähnend schlurfte ich den Gang entlang - vermied es jedoch vorsichtshalber am Gästezimmer entlang zu gehen. Als ich die Küche betrat, saß lediglich Alex' Mutter Katja am Tisch und hielt eine Tasse Kaffee in der Hand. Ich war mir aufgrund meiner verschlafenen Augen nicht ganz sicher, doch ich hatte das Gefühl, dass sie zitterte. Katja?, fragte ich sie. Als sie aufsah, bemerkte ich die großen, tiefblauen Augenringe, welche beinahe so wirkten, als wenn sie seit Tagen nicht mehr geschlafen hätte. Sie versuchte die Angst zu verbergen, doch sie war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Da sie nicht antwortete, versuchte ich sie auf das Bild anzusprechen. So als hätte ich etwas durch und durch Furchtbares gesagt, blickte Katja mich mit angsterfülltem Blick an. Ihre Unterlippe begann zu beben und einige Tränen liefen ihre Wangen hinunter. Für einen kurzen Moment schwiegen wir beide. Dann setzte Katja die Tasse auf dem Tisch ab ohne den Blick von mir zu wenden. Ich spürte wie die Angst der vorigen Nacht wieder in mir aufstieg und nun begannen auf meine Hände zu zittern. Was ist das für ein Gemälde?, fragte ich ängstlich. Katja sah mich an und ihre Augen weiteten sich. Es war keine Spur von Angst mehr in ihrem Gesicht, sondern nur noch ein Abbild des puren Schreckens. Ihre Stimme wurde plötzlich viel leiser und es war beinahe so, als wenn selbst ihre Zunge beim sprechen zittern würde.