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  • Der Wald am Garten
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  • Gesunken war die Sonne längst als J. aus dem Fenster sah. Trübe der Blick, finster die Außenwelt, so stand er vor seinem Schlafzimmerfenster, dessen dunklen Holzrahmen schon lange Zeit eine Erneuerung benötigten, so morsch waren sie. Das Schlafzimmerfenster war in Richtung J.s Garten ausgerichtet, welcher direkt an einen dunklen, düsteren, geradezu bedrohlich wirkenden Nadelwald grenzte. Seine Frau wollte schon vor einer halben Stunde zuhause sein, doch anwesend war sie nicht. Unpünktlich war sie nie, doch in letzter Zeit hatte sie selten das Haus verlassen. Wo mag sie geblieben sein?
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  • Gesunken war die Sonne längst als J. aus dem Fenster sah. Trübe der Blick, finster die Außenwelt, so stand er vor seinem Schlafzimmerfenster, dessen dunklen Holzrahmen schon lange Zeit eine Erneuerung benötigten, so morsch waren sie. Das Schlafzimmerfenster war in Richtung J.s Garten ausgerichtet, welcher direkt an einen dunklen, düsteren, geradezu bedrohlich wirkenden Nadelwald grenzte. J. starrte so gebannt aus dem Fenster, dass er fast seinen Feuermelder überhörte („verdammt, die Kerzen“)und geradezu ängstlich die Treppen in das Wohnzimmer zurückhastete um mit der Löschdecke die in Flammen aufgegangenen Teelichter zu löschen, die er mal wieder zu nah aneinander gestellt hatte. Als er den glücklicherweise eher kleinen Brand gelöscht hatte, lies J. seinen Blick durch das eher kleine Wohnzimmer mit dem einzeln und allein dastehenden Sessel und den verdorrten Blumen auf dem Fenstersims auf die Uhr wandern. Seine Frau wollte schon vor einer halben Stunde zuhause sein, doch anwesend war sie nicht. Unpünktlich war sie nie, doch in letzter Zeit hatte sie selten das Haus verlassen. Wo mag sie geblieben sein? J. musste bei den Sorgen um seine Frau unwillkürlich an den Wald denken. War sie vielleicht einfach nach der Arbeit noch eine Runde joggen gegangen, wie sie es manch einmal bereits getan hatte? Irgendetwas an diesem dunklen Wald beunruhigte ihn seitdem er und seine Frau Jasmine vor einigen Jahren in diese eher ruhige Gegend zogen, doch seine Frau störte das nicht. Sie entwickelte eine beängstigende Faszination für den Wald, behauptete gar des Nachts die Laute ihres spielenden Sohnes aus ihm zu hören. Sie schien mit den Jahren immer mehr verdrängt zu haben, dass ihr gemeinsamer Sohn im frühen Kindesalter verstarb, sie hatte sich nie so recht von dem Trauma erholen können und joggte deshalb auch des Öfteren durch den nächtlichen Wald, der ihrem Mann wohl auch aus diesem Grund immer unheimlich war. Er wusste genau: Sie suchte den Sohn. J. zog sich seinen ausgebleichten, einst schwarzen Wintermantel an, packte sein Handy und die Taschenlampe aus dem Flurschrank ein und verließ das Haus, fest entschlossen seine Frau zu finden und mit ihr ein ernstes Gespräch zu führen, sie vielleicht zu einem Psychologen zu bringen. Nun steht J. also in diesem Wald. Zum zweiten Male an diesem Abend starrte er in die Dunkelheit und sah diesmal die Silhouette seiner Frau. Manchmal jagen Dämonen die Menschen heim, manchmal sind jedoch auch die Menschen selbst die Dämonen. Als J. in den Wald starrte, wusste er nicht, wo seine Frau und der gemeinsame Sohn wirklich waren. Sie lagen im Garten verscharrt. Niemand, nicht einmal er selbst wusste es, denn er vergaß vor langer Zeit bereits, dass er sie hatte umgebracht. Kategorie:Geisteskrankheit Kategorie:Mittellang Kategorie:Artikel ohne Bilder Kategorie:Mord Kategorie:Schockierendes Ende