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  • Müde legte ich meinen Nacken nach hinten in meine Hände und schaute auf dem digitalen Display meiner Zimmeruhr: Noch 48 Stunden. Noch fucking 48 Stunden, bis ich mein Werk zu vollenden hatte. Dann würde ich es bei dem einzigen Verlag, der mir überhaupt noch eine Chance geben wollte abgeben und kurz darauf von Ruhm und Reichtum träumen. Nur um dann von der Realität zurückgeholt zu werden und ins Gesicht gesagt zu bekommen, dass meine harte Arbeit nichts weiter als reinster „Müll“ war. So wie das letzte Mal…
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  • Müde legte ich meinen Nacken nach hinten in meine Hände und schaute auf dem digitalen Display meiner Zimmeruhr: Noch 48 Stunden. Noch fucking 48 Stunden, bis ich mein Werk zu vollenden hatte. Dann würde ich es bei dem einzigen Verlag, der mir überhaupt noch eine Chance geben wollte abgeben und kurz darauf von Ruhm und Reichtum träumen. Nur um dann von der Realität zurückgeholt zu werden und ins Gesicht gesagt zu bekommen, dass meine harte Arbeit nichts weiter als reinster „Müll“ war. So wie das letzte Mal… Zuversichtlich hatte ich meinen Weg auf das riesige Gebäude zu gesteuert, dass meine Zukunft bestimmen würde. Mit jedem Schritt in dem ich mich immer näher zum Aufzug bewegte und mir gleich ein Ticket in Richtung „Anerkennung“ versichern würde, wurde mir immer mulmiger zu Mute. Fragen, die ich mir sonst nur seltener stellte plagten meinen Kopf: War das überhaupt die richtige Entscheidung? Wirst du am Ende als Sieger dieses Gebäude verlassen? Bist du bereit es zu veröffentlichen? All diese Fragen schwirrten meist dann in meinem Kopf herum, wenn ich selbst an meinem Können zweifelte oder gar mir selbst bewusst war, dass es am Ende nichts werden würde. Doch wie bereits erwähnt: All diese Fragen stellte ich mir in der Regel äußerst selten. Als ich nun die milchige Glastür mit einem zu hohen Schwung öffnete, blickte ich dem Chef der gesamten Abteilung ins Gesicht. Schon von Anfang an verriet dieser strenge Blick einem, dass man an der falschen Adresse war, sollte man eine echt miserable Story mitgebracht haben oder sich in seinem Angesicht um etwas beschweren wollen. Jedoch war ich plötzlich wieder guter Dinge. Wahrscheinlich lag es vielmehr daran, dass ich es bis hierher überhaupt geschafft hatte und – nicht wie die meisten anderen - so kurz vor dem Ziel einen Rückzieher gemacht hatte. Doch kaum hatte sich der Chef im seriös wirkenden Anzug meine Geschichte bis zum Ende des Kapitels durchgelesen, landete diese – ohne auch nur ein weiteres Wort zu verschwenden – in dem Mülleimer zusammen mit einem Berg voller weiterer schlimmen Werke. Mit größter Wahrscheinlichkeit die schlimmsten, die er je gelesen hatte, doch das war nicht das Übel von allem. Das wirkliche Übel war es, dass meine eigene Geschichte dazu gehörte! Kochende Wut stieg in mir auf, während ich – die Fäuste geballt – auf dem Mann, der dieser Meinung war, zu schritt. „Was fällt Ihnen denn ein?!“, brüllte ich ihn an. „Haben Sie kein Gefühl, ja keine Vorstellung von einer wirklich guten Geschichte?!“ Doch zur Antwort lachte er nur. „Hören Sie zu Mister…“ „Black“, antwortete ich knapp mit Zorn in meiner Stimme. „Mister Black,“ fuhr der Mann im grauen Anzug mit einem breiten Lächeln fort. „Ich weiß leider nicht was Sie unter dem Begriff „Horror“ verstehen, doch über einen Jungen zu schreiben, der in einem Raum gefangen ist und sich durch einen irren Forscher aushungern und bis aufs Blut foltern lässt, ist nun wirklich nichts Gruseliges und auch nicht im Geringsten spannend. Im Gegenteil: Jede seiner Schritte, die der Forscher dem Jungen antut ist vorhersehbar. Da hat man nicht wirklich Lust weiterzulesen und dann noch das Ende: Ziemlich eintönig den Forscher durch den Jungen umbringen zu lassen, zumal Sie auch noch bedenken müssen, dass es schier unmöglich ist, wenn man ausgehungert und vollkommen geschwächt ist!“ Elender Bastard! Weiß er denn, wie viel Arbeit ich in diesem Werk reingesteckt habe?! Ist ihm überhaupt bewusst, wie schwer es ist, seine Leser zu fesseln, so dass sie erst weiterlesen, sich dem Hauptteil vorarbeiten und dann das sagenumwobene Ende durchlesen, Zeile um Zeile? Wort um Wort? Womöglich schien der Kritiker nun mir meine Wut und schwere Enttäuschung um mich selbst anzusehen, denn plötzlich wirkte er keines Falls mehr streng, sondern bemitleidete mich um mein Versagen. Ist das zu fassen?! Ein einfacher Kritiker wie er bemitleidete mich und mein Werk! Verdammter Vollidiot! „Mister Black,“ begann er nun vielmehr mit einem ruhigen als kritisierenden Ton in seiner Stimme. „Ich sehe, dass Sie sehr unzufrieden sind mit sich und Ihrer Arbeit, daher möchte ich so gnädig sein und Ihnen noch eine Chance geben. Eine Woche. Dann müssen Sie mit etwas ankommen, was so nie gegeben hat, was selbst Stephen King in Staunen versetzen würde, wenn Sie verstehen, was ich meine?“ Erstmals setzte sich ein Lächeln auf seine Lippen, dann verließ ich mit einem Dank den Verlag. 44 Stunden. Noch gottverdammte 44 Stunden bis zum Abgabetermin… Immer noch ist mir nichts wirklich Glorreiches eingefallen. Die Blätter vor mir sind nicht weiter beschriftet, als eine Überschrift, die zu wünschen übrigließ: „Mein zerstörtes Leben“. Seufzend ließ ich meinen Stift fallen und stand auf, um mir einen Kaffee zu machen. Es war schon mein dritter allein diese Nacht und immer noch plagten mich die Gedanken um jenes Gespräch von vor einer Woche… Während ich an meinen heißgebrühten Kaffee nippte fuhr ich mir mit einer Hand durch mein fettiges Haar. Die ganze Zeit über hatte ich mein jämmerliches Leben damit verbracht mir irgendwelche Handlungen auszudenken, die es so noch nie gegeben hat. Am Anfang war ich sehr erfolgreich damit. Die Leute liebten meine Geschichten und selbst Kritiker hatten nichts zu meckern, doch mit der Zeit hatte ich mich immer tiefer in eine Welt reingeritten, die bereits voll war von Werken und Ideen, die es alle schon gegeben hat oder gibt. Selbst meine liebe Frau – die vor zwei Jahren an einem Unfall gestorben war – hatte mit ihrer Liebe zu mir und meiner Arbeit mir versucht Mut zu zusprechen, mich davon zu überzeugen, dass das, was ich tat gut war und ich so weitermachen sollte. Auch wenn ich ihre Zusprüche über alles schätzte und sie trotz ihres Todes dennoch liebte, versetzte es mir einen starken Stich in meiner Brustgegend, wenn ich an sie dachte. Der Zeitpunkt ihres Todes… ich war dabei gewesen. Jedes Detail spielte sich noch einmal in meinem Kopf ab, so als habe sich das alles erst gestern abgespielt hatte… Blutend lag sie auf dem Boden. Ihre Beine lagen unter der schweren Autotür. Ihre Haut war vollkommen von den unzähligen Glassplittern des zertrümmerten Fensters zerschnitten. Ihr fehlte das rechte Auge. Es müsste irgendwo unter den brennenden Türmern des Autos liegen und dahin schmelzen. Ich kniete neben ihr. Tränen der Verzweiflung und Angst liefen mir die Wangen herunter. „April,“ es war mehr ein Flüstern als ein Schreien, meine Stimme war zu gebrochen als das ich hätte schreien können, auch wenn ich es gerne getan hätte. „Danny…?“ kam von ihrer Seite aus zurück. Ich bewunderte ihre Stärke und diese Kraft, die sie aufnahm um sich mit mir zu unterhalten, obwohl sie dem Tod so nah war… Sicher war sie nicht die einzige, die das wusste. „Mein lieber Ehemann,“ begann sie schwer atmend. „weine nicht um mich… Du darfst dich selbst in dieser Trauer nicht verlieren. Kämpfe dafür, dass deine Werke eines Tages die ganze Welt sehen wird. Verfolge deinen Traum!“ Blut lief aus ihrem Mund und beim letzten Satz hustete sie schwer. Offensichtlich drohte ihre Lunge unter dem Druck des Wracks zu platzen. Während sie ihre letzten Wörter sprach hatte ich die ganze Zeit ihre Hand gehalten. Ihre zertrümmerten Finger auf meinen gespürt und ihr warmes Blut klebte auf meinen Händen. Bei ihrer Beerdigung hatte ich ihr aufs Wort geschworen mein Wunsch zu erfüllen. Sie sah mein Können. Schon die ganze Zeit über. Wäre sie doch heute nur am Leben um mich zu unterstützen… Nachdenklich blickte ich an meinem halb ausgetrunkenen Kaffee herunter. Es half alles nichts… Vielleicht sollte ich versuchen mich etwas hinzulegen. Nur für ein paar Minuten. Dann würde ich mich wieder heransetzen. Als ich mich mit Unterhose und T-shirt ins Bett legte schaute ich noch für ein aller letztes Mal aus den Display meiner Zimmer Uhr: 3:00 Uhr morgens. Bis zum Erscheinungstermin hatte ich nur noch 6 Stunden. Dann war meine Zeit abgelaufen… Ich schlief schneller ein, als erwartet. Während ich mich zur leeren Seite des Bettes drehte, wo meine Frau sonst immer geschlafen hatte, vernahm ich mit den Händen einen ungewöhnlich warmen Körper. Fast schon zu warm… „April?“, flüsterte ich leise in die Dunkelheit hinein. Sinnlos, wenn man bedenkt, dass ich ganz alleine war. Ein müdes Brummen kam von der anderen Seite. „Was ist denn mein Liebster?“ Im nächsten Moment hörte ich das Rascheln einer Decke, als ob sich jemand zur Seite drehen würde. Schnell schaltete ich das Nachtlicht an und da sah ich sie: Meine liebe, schöne April. Wie sie in ihrem umwerfenden Nachtkleid neben mir lag und… aus dem rechten Auge blutete? Geschockt über das, was ich gerade gesehen hatte, blinzelte ich zweimal, ehe ich einen erneuten Blick auf ihr Antlitz warf, doch es bestand kein Zweifel: Ihr Auge fiel aus ihrer Augenhöhle und landete direkt neben mir auf mein Kopfkissen. Ich schrie auf. „Was zur Hölle geht hier vor sich?!“ Schwer keuchend blickte ich wie sich immer mehr Bluttropfen auf meinem Bettlacken bildeten, bis sie sich zu einer kleinen Blutlache formten. „Was hast du denn Daniel? Du siehst so blass aus. Ist dir nicht gut? Kein Wunder, wenn du schon wieder so akribisch an deinen Geschichten arbeitest…“ Langsam, ganz langsam, wanderte mein Blick zu ihr hoch. Bei ihrem Anblick bekam ich ein dringendes Bedürfnis mich zu übergeben: Aus ihrem Gesicht liefen unzählige Bluttropfen entlang, etliche Schnittwunden ließen ihr Äußeres vollkommen zerfetzt und zerstört aussehen! Selbst ihre Muskeln und Knochen guckten hervor. Zutiefst geekelt und geschockt von ihrem Aussehen machte ich die Augen zu, fasste mich an meinem Kopf und schrie aus Leibes Kräften: „Es soll aufhören! Das alles soll ein Ende haben!!!“ „Ach mein Liebster…“, sagte meine Frau in einer gurgelnden, verzerrten Stimme zu mir, während sie ihre zertrümmerten Finger entlang meiner feuchten Wange führte. „Gib mir einen Kuss!“ Blut lief aus ihrem Mund, als diese Worte aussprach und spritze mir teilweise ins Gesicht. Sofort stieß ich sie zur Seite und schaute auf die Uhr: 2 Stunden. Noch verdammte 2 Stunden, dann hatte ich es geschafft! Ich würde aus diesem Albtraum endlich erwachen! „Oh, das ist kein Albtraum, mein Liebling! Das ist deine schmerzhafte Realität! Dein Schlüssel zum Erfolg, wenn du so willst!“, antwortete meine April, als könnte sie meine Gedanken lesen und legte ihren schäbigen, kalten Körper auf mich. „Und jetzt halt die Klappe und küss mich!“, forderte sie mich auf. Ohne auch nur eine Reaktion meinerseits abzuwarten, presste sie ihre ebenfalls kalten und blutverschmierten Lippen auf meine. Auf einmal schien sie versuchen etwas hochzuwürgen. Ich wollte mich aus ihrem Kuss lösen, doch noch im selben Moment erbrach sie einen Schwall Blut direkt in meinen Mund hinein. Verzweifelt versuchte ich mich von ihr zu befreien und diese verdorbene Flüssigkeit herauszuwürgen, damit es sich nicht in meinem Magen verarbeiten konnte, jedoch hatte ich nicht die Kraft dazu. April hielt mich zu stark mit ihren Armen umschlungen, als dass ich mich hätte wehren können. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ sie endlich ab von mir, jedoch konnte ich ihr Blut, dass so seltsam chemisch schmeckte nicht mehr herauswürgen. Es hatte sich in meinem Magen breitgemacht und fing an mich von innen heraus zu zerfressen! Mit schäumendem Mund und vor Schmerzen verkrampft schaute ich sie noch ein allerletztes Mal an. „Warum hast du mir das angetan?!“ Schrie sie an. Erneut liefen mir Tränen aus Angst meine verätzenden Wangen herunter. Zur Antwort kicherte sie. „Das war nicht ich, Liebling. Das hast du dir selbst zu verdanken. Es ist dein Werk!“ Ich wollte etwas erwidern, doch ich war zu schwach und zu erschöpft, als dass ich etwas hätte sagen können. Wieder schaute ich hoch zur Uhr: 25 Minuten. Noch gottverdammte 25 Minuten. Ein Lächeln zog sich entlang meiner Lippen, während ich dachte: Vielleicht hatte sie ja recht. Vielleicht war das wirklich alles mein eigenes Werk, was ich hier produziert hatte… Die Polizei fand am nächsten Morgen die Leiche eines Mannes tot auf seinem Bett liegen. Neben dem Bett lag eine leere Flasche von einem Badreiniger. In diesem Fall schließt die Polizei Selbstmord nicht aus. Bis auf die leere Flasche entdeckten die Beamten weiterhin ein Zettel mit der Überschrift: